Rezension: Vathy, Zsuzsa – „Wir blicken auf das Schöne“

Zsuzsa Vathy zeichnet in den drei Novellen dieses Bandes einfühlsam die Lebensgeschichten dreier Frauen nach und spiegelt dabei die Geschichte Ungarns im 20. Jahrhundert. Unter unterschiedlichen historischen Rahmenbedingungen und sozialen Umständen fügen sich die drei Protagonistinnen – Karolina, Lisi und Palma – ihrem persönlichen Lebensschicksal. Immer jedoch drängt sich ihnen unterschwellig die Frage auf, ob ihr Leben nicht auch hätte anders verlaufen können:
Karolina sucht Anfang der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts mit ihrem Mann zunächst ihr Glück in Amerika, kehrt jedoch wieder zurück und baut sich mit einer neu erworbenen Mühle eine Existenz auf. Viele ihrer Lebensziele erreicht sie, dennoch empfindet sie ein persönliches Scheitern und kann für sich persönlich keinen Frieden finden. In ihrer eigenwilligen und herrischen Art macht sie nicht nur sich, sondern auch allen ihr nahestehenden Menschen das Leben schwer.
Die zweite Erzählung beinhaltet die auf Tonband gesprochene Lebensgeschichte der 55-jährigen Frührentnerin Erzsébet Osztos, genannt Lisi. Als junge Frau geriet sie – eher durch Zufall als aus politischer Überzeugung – in den Sog des Ungarn-Aufstandes von 1956. Sie verlässt das Land, kehrt aber nach einem Amnestieversprechen zurück. Entgegen der Zusagen wird sie verhaftet, gefoltert und zunächst zum Tode verurteilt; schließlich wird sie zwar begnadigt, aber für viele Jahre inhaftiert. Nach der Entlassung aus dem Gefängnis versucht sie, wieder ein normales Leben zu führen, doch immer wieder holt sie die Vergangenheit ein.
Die dritte Erzählung „Katze mit Myrten“ spielt in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Palma ist hin und her gerissen zwischen ihrer Familie und dem Liebesverhältnis zu einem Kollegen. Als sie schließlich ihre Familie für den Geliebten aufgibt, ahnt sie zwar, dass es ein Fehler ist und kann doch nicht anders handeln.
„Irgend etwas haben wir alle versäumt oder verdorben“ bemerkt Palma zum Ende ihrer Lebensrückschau und spricht damit das eigentliche Thema dieser drei in sich geschlossenen Geschichten an.
Ich habe das Buch gern gelesen; einerseits, weil die Geschichte Ungarns im 20. Jahrhundert anhand der drei Schicksale anschaulich vermittelt wird – andererseits, weil die unausweichlichen Folgen einmal eingeschlagener Lebenswege so subtil gezeichnet sind.

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