Über Gudrun Brzoska


Die Gründerin der „Ehinger Bibliothek – Ungarische Literatur in deutscher Sprache“

Ich bin Buchhändlerin und Bibliothekarin, lebe in Ehingen an der Donau. Nach dem Abitur in Speyer wusste ich nicht recht, ob ich Buchhändlerin werden, oder Kunst studieren sollte. Ich entschied mich für die Bücher und arbeitete nach meiner abgeschlossenen Ausbildung zunächst in Buchhandlungen, später war ich auch eine Zeitlang beim Aufbau der neu gegründeten Universitätsbibliothek in Ulm beschäftigt.

Mit der Vergrößerung der Familie – drei Kinder – wandte ich mich wieder der Kunst zu, da ich dies zu Hause und nachts betreiben konnte.
38 Jahren lang betreute ich außerdem die Bibliothek des Kollegiums St. Josef in Ehingen. Bestand etwa 20 000 Bände.

Als unser Haus wieder leer wurde, begleitete ich meinen Mann während drei Jahren in Rumänien und zwei Jahren in Ungarn.
Er unterrichte dort an deutschsprachigen Schulen, bildete gleichzeitig Lehrer aus. Nebenher vernachlässigte ich weder Kunst noch Lesen, doch gleich in den ersten Wochen unseres Lebens in Sopron, Ungarn, hat es mich dann „getroffen“:
Ich las, anlässlich der Verleihung des Literaturnobelpreises an Imre Kertész, dessen Werk: „Roman eines Schicksallosen“. Ich wollte nun mehr von diesem Autor wissen. Bei Recherchen eröffnete sich mir eher zufällig der immense Schatz ungarischer Literatur. Dies faszinierte mich so sehr, dass ich anfing jedes ins Deutsche übersetzte Buch zu sammeln.

Nicht nur, weil ich mütterlicherseits einer siebenbürgischen Familie entstamme, sondern auch, weil mir die ungarische Literatur so gut gefällt und immer mehr ans Herz wächst, habe ich begonnen, eine Bibliothek „Ungarische Literatur in deutscher Sprache“ aufzubauen.

Seit 2002 ist diese Bibliothek auf über 1500 Werke von etwa 450 Autoren und Autorinnen angewachsen – und erweitert sich ständig. Schwerpunkt ist die Belletristik ab dem frühen 20. Jahrhundert bis zu allerneuester Literatur. Neu aufgelegte Werke des 19. Jahrhunderts sind natürlich auch dabei. Die allermeisten Bücher sind nach dem 2. Weltkrieg entstanden.

Einige Institutionen und Bibliotheken wurden auf meine Sammlung aufmerksam und luden mich ein, die Bücher zu präsentieren: Ich verfasse zu jedem Buch eine Inhaltsangabe, zu jeder Schriftstellerin, zu jedem Schriftsteller eine Biografie – und wenn möglich stelle ich ein Porträtfoto dazu aus.

Inzwischen konnte ich die Werke, oder Themenbereiche daraus, in mehreren Städten in Ungarn und Deutschland zeigen. U. A. in der Stadtbibliothek Esztergom (unserer Ehinger Partnerstadt), in der Komitatsbibliothek Pécs (Fünfkirchen) (2006), in der Universität Györ, in Sindelfingen, Backnang, Gerlingen und im Ungarischen Kulturinstitut Stuttgart (2007).

2009 wurde unsere Bibliothek in eine Gesellschaft öffentlichen Rechts umgewandelt.
Seither hat sich viel verändert: Die Präsentationen sind umfangreicher geworden, das Ministerium für Wissenschaft und Kunst, Baden-Württemberg, unterstützt unsere Auslandspräsentationen. Zum zweiten Mal wurde unsere Bibliothek nach Pécs eingeladen, 2010 zum Kulturhauptstadtjahr, danach in die Szabó-Ervin-Hauptstadtbibliothek in Budapest, ins Ungarndeutsche Kulturzentrum in Baja, in die Ungarischen Botschaft in Berlin (2011) zum Nationalfeiertag mit einer Themenausstellung zum Volksaufstand 1956.

Im Juni 2012 wurde ich mit der Ungarischen Verdienstmedaille „Pro Cultura Hungarica“ geehrt – mein Mann, der ganz maßgeblich am Auf- und Ausbau dieser Bibliothek beteiligt ist, wird diese Medaille im Oktober (2012) erhalten.
Unsere Anstrengungen sollen Brücken schlagen von West nach Ost und vom Osten in den Westen und zum gegenseitigen Verständnis beitragen.

Mit der Eötvös-Loránd-Universität (ELTE) Budapest konnten wir einen Kooperationsvertrag unterzeichnen. Ich werde dort in einem der nächsten Semester Vorträge zur ungarischen Literatur in deutscher Sprache halten – zwei oder drei Stipendiaten der ELTE werden im Frühjahr wissenschaftlich in unserer Bibliothek ein gestelltes Thema bearbeiten. Dieses Projekt ist als Pilotprojekt vorerst für zwei Jahre geplant.
Ein weiteres Projekt nehmen wir bereits in diesem Herbst in Angriff: Präsentationen in den Hauptstädten Berlin und Budapest. Ab 9. November 2012 wird unsere Bibliotheksausstellung in der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin zu sehen sein, bis 20. Dezember.
Im Januar wird diese Ausstellung nach Budapest in die Universitätsbibliothek der ELTE gebracht. Der genaue Eröffnungstermin steht noch nicht fest.
Diese übersetzte ungarische Literatur soll einerseits den Deutschen zeigen, welch reichen Schatz dieses vergleichsweise kleine Land Ungarn nach Europa einbringt, andererseits den Ungarn vor Augen führen, dass im deutschsprachigen Raum ihre Literatur viele Freunde hat.

Ich möchte für die Ungarische Literatur neue und weitere Wege öffnen.
Wie sagte die Autorin und Übersetzerin Zsuzsanna Gahse in einem Interview so zutreffend:
… die Ungarn brauchen das Deutsche wirklich, sonst finden sie keinen Zutritt zur Weltliteratur. Das Deutsche ist ja der Hafen für die übrige Welt.

Ehingen, im September 2012

Interview mit Veit Feger

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