Rezension: Kosztolányi, Dezső – „Lerche“

aus dem Ungarischen von Christina Viragh, mit einem Nachwort von Péter Esterházy. Manesse Verlag, 2007, ISBN: 3-71752-144-6
aus dem Ungarischen von Heinrich Eisterer, Suhrkamp Verlag, 2997, ISBN: 978-3-518-22423-6
Originaltitel: Pacsirta
Bezug: Buchhandel

Der Roman spielt in der fiktiven Stadt Sárszeg ausgangs des 19. Jahrhunderts. In einer Kleinstadt, in der weiter nichts geschieht, alles seinen vorgezeichneten Gang geht, alles vorhersehbar scheint, einer Kleinstadt, in der jedermann jeden kennt oder genau zu kennen glaubt, wo das Leben der Gesellschaft still zu stehen scheint.
Lerche ist die unverheiratete, schon ältliche, Tochter des Ehepaars Vajkay, Von den Eltern übermäßig geliebt und behütet, hält sie den Haushalt eisern und unerbittlich im Griff. Man gönnt sich nichts; die Tochter kocht und putzt selbst.
Nur einmal war es bis jetzt vorgekommen, dass sich ein junger Mann, Géza Cifra, für Lerche interessiert hatte. Allerdings nur in den Augen der Familie. Je mehr sich der Mann entzog, um so tadelnswerter, grober und unerzogener erscheint er den „Beleidigten“.
Als Lerche einmal eine Einladung zu Verwandten aufs Land annimmt, blühen die Eltern, wie von einer Last befreit, richtig auf, gestehen sich die „Ungeheuerlichkeit“ ein, dass ihre Tochter blitzhässlich ist.. Nach anfänglichem Zögern gehen ins Restaurant, gehen tanzen, der Vater trifft sich zu Herrenrunden mit früheren Freunden und Kollegen, die Mutter zu Kaffeenachmittagen mit Bekannten. Sie holen all das nach, was sie sich bisher, da ihre Tochter ihr eigenes Leben selbst nicht lebt, versagt haben. Selbst die Erinnerung an Lerche verblasst nach und nach in dieser einen Woche.
Während nun die Eltern innerlich wieder jung und unternehmungslustig werden, schreibt Lerche freudlos lange Pflichtbriefe an die Eltern. Sie kann es kaum erwarten, wieder in ihre gewohnte Umgebung zu kommen.
Mit ihrer Rückkunft ist dann auch für die Eltern diese Woche Freiheit und Gelöstsein endgültig vorbei – das leere Leben wird wieder fortgesetzt.
Kosztolányi schreibt eine meisterhaft-psychologische Erzählung, ein satirisches Portrait einer Gesellschaft, deren Leben sinnentleert und höchst vorhersehbar ist. Schon einmal, 1924 wurde das Buch ins Deutsche übersetzt, nun erscheint die Neuauflage gleich in zwei Verlagen.

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