Rezension: Adorján, Johanna – „Meine 500 besten Freunde“

Stories
Verlag: Luchterhand Literaturverlag, München 2013
ISBN: 978-3-630-87354-1
Bezug: Buchhandel Preis: 18,99 Euro

Eitelkeiten, Klatsch, vermeintliche Zurücksetzung, zur Schau getragene, aber unechte Freundschaften, Affären, zerplatzte Träume, abgestürzte Karrieren. Praktikantinnen, die um jeden Preis ins Redaktionspersonal aufsteigen wollen – das sind die Protagonisten dieser 13 Stories, die sich im Klatsch -und Tratschmilieu in Berlins angesagten Restaurants, Lounges, Redaktionen und Galerien und sonstigen aufgebrezelten Kreisen tummeln.
Der Normalsterbliche scheint damit nichts zu tun zu haben – aber wie interessant diese Kreise zu sein scheinen, sieht man schon an den Titeln der Internetseiten, die tagtäglich reißerisch auf sich aufmerksam machen: Wer mit wem … und weshalb die eine Karriere gerade im Aufwind – die andere aber im Sinken begriffen ist. – Man sollte annehmen, das interessiere doch niemanden! Das Gegenteil scheint aber der Fall zu sein.
Ironisch führt Adorján ihre Helden vor, entlarvt schonungslos das aufgesetzte, aufgebrezelte Leben. Ein hübscher Effekt: Die Hauptfiguren der einen Erzählung – in der welcher sie häufig die Ich-Erzähler sind – werden in einer anderen Geschichte zu Neben- und Randfiguren degradiert. Sooo wichtig sind sie also doch nicht, wie sie selbst von sich dachten.
Die Autorin, Redakteurin der FAS (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung) in Berlin-Mitte ist mit diesen Kreisen bestens vertraut, das merkt der Leser schnell. Sie zeigt aber nicht nur das Alltagslächeln, das ein Leben in Glamour und Sorglosigkeit – die Leichtigkeit des Seins – suggerieren soll, sondern auch die ganz normalen Regungen, wie Verletzt-Sein, wie Daseins-Angst, Angst vor Krankheit und Einsamkeit und Furcht vor dem Abstieg.
Die Frauen sind gar nicht so hart gepanzert. Es trifft sie doch, wenn der neue Lover sie verleugnet, wenn der Lebenspartner in einer schwierigen Situation sie im Stich lässt, oder wenn die Frauen ihre Selbstverwirklichung so durchsetzen, dass der Mann im Regen stehen bleibt.
Es ist das Scheitern, die kleinen interessanten Kehrtwenden im Leben dieser Menschen, es sind Ausschnitte aus derem täglichen Leben, die Adorján hier beobachtet. – Ein Vorhang wird für kurze Zeit weg gezogen und dahinter ist es kahl und kalt, nicht etwa lustig, frech, frivol, oder gar glamourös. Eine kleine Gesellschaft wird abgebildet, die sich selbst für sehr wichtig und unersetzlich hält – deren Protagonisten sich wundern, wenn sie nicht überall erkannt und hofiert werden. Daher ist auch gleich der 1. Satz, so wichtig und so entlarvend: „Wir saßen damals oft im Borchardt. Ein paar Jahrzehnte später waren wir tot, …“. Ja, tot, weil man uns nicht mehr kennt, weil wir nicht mehr zur glamourösen Gesellschaft gehören. Wir sind tot für die anderen – vergessen.
Da sitzt zum Beispiel eine mit ihrer Freundin, die sie so sehr mag – aber dann doch nicht so sehr, in eben diesem Borchardt. Die Freundin Eva ist heute so anders als sonst – ein Gespräch über nichts kommt nur schwer voran. Mehrere Prominente sind auch da, welche die Erzählerin verstohlen und mit bissigen Kommentaren mustert. Erst später erfährt sie, dass Eva zu diesem Zeitpunkt bereits wusste, dass die Erzählerin sie mit ihrem Mann betrog.
Nach dem Besuch eines Theaterstücks setzt sich Friederike mit ihrem Bekannten in ein Restaurant. Sie kennt ihn bereits seit zwei Jahren – und es ist noch nichts passiert. Die Aufführung mit der Hauptdarstellerin Nadja von Stettin hat ihnen nicht besonders gefallen. Aber als diese plötzlich das Lokal betritt und sich sogar neben Klaus setzt, ist alles ganz anders. Beide, Friederike und Klaus reden einfach so drauf los, spielen Theater. Klaus lacht oft und unmotiviert. Als Nadja aufbricht, flüstert sie ihm ins Ohr, dass sie noch selten einen Mann mit einem solch sexy Lachen erlebt hätte. Ein Grund für Friederike für diese Nacht in Klaus noch andere Qualitäten zu sehen.
Der alternde Journalist Theodor geht zur Medienpreisverleihung „Edelfeder 2013“. Er rechnet fest mit dem Preis und hat natürlich die Dankesrede schon in der Tasche. Vor allem ist er aber sehr beschäftigt mit seinem Äußeren, mit seinem Auftreten. Das ist ihm am Ende doch wichtiger – und tröstet ihn darüber hinweg, dass er den Preis nicht erhalten hat – obwohl – eigentlich hätte er ihm ja zugestanden. Außerdem war er besser gekleidet als sein Kontrahent. Und was ihm noch wichtiger ist: Er liebt seine Frau – besonders dann, wenn sie ihn so spöttisch anschaut. Sie ist die Überlegene, die Stärkere – und das ist es, was er eigentlich braucht.
Felix, ein Schauspieler, der sich so treiben lässt, nichts anpackt, geht zur Therapie. Aber nicht mal seiner Psychologin gegenüber kann er ehrlich sein und zugeben, dass er noch immer nicht von den Drogen los gekommen ist. Und als er es endlich doch sagt – vergisst er bereits beim Hinausgehen, die Adresse, die ihm seine Therapeutin gegeben hat.
Ruben Blacher hatte sich schon in allen möglichen Berufen versucht, nun will er Regisseur werden. Für seine Abschlussprüfung möchte er einen Film mit einem alten, ehemals berühmten Schauspieler drehen. Dessen zweifelhaftes Auftreten im 3. Reich stört ihn nicht. Er will unbedingt den großen Coup mit ihm landen. Das Gespräch zwischen den Beiden, die sich ständig missverstehen, ist klasse. Dabei weiß man nicht so genau, nimmt der Alte Blacher nur auf den Arm, tut nur so, als verstünde er weder Wort noch Sinn, oder ist er tatsächlich schon etwas vergesslich. Ich glaube eher, der alte Schauspieler spielt dem jungen hier einfach etwas vor.
Dann ist da die Geschichte der Praktikantin Angie mit den großen Brüsten, die sie gern zum Aufstieg ihrer Karriere einsetzen möchte. Bisher ohne großen Erfolg. Und als sie dann nahe dran ist, mit allerhand Tricks an ihren Chef – und damit an eine große Story heranzukommen, wird sie von Christine, die noch flotter ist als sie, ausgestochen.
Ein Lektor will seinem Autor bei einem Essen schonend beibringen, dass sein neuer Roman einfach Mist ist. Immer wieder lässt er sich ablenken, schließlich übertölpeln und bestechen von dem jungen Mann. Der überreicht ihm als Geschenk einen Füller, der mindestens 300 € gekostet hat. Auf einmal ist das Buch gar nicht mehr so schlecht, der zweifelhafte Titel o.k., – und aus dem Inhalt spricht jetzt viel „Wahrhaftigkeit“. Wenn man sich das lebhaft vorstellt, ist man unwillkürlich an eine Loriot-Szene erinnert.
In der letzten Story schließt sich der Kreis: Die Freundin aus der ersten Geschichte, Leyla, geht mit ihrem Mann zur Vernissage. Adorján versammelt noch einmal viele ihrer Figuren in einer Galerie. Leyla begrüßt überschwänglich alle möglichen Leute, die sie eigentlich nicht ausstehen kann: Die Schauspielerin Anna, die noch unlängst zu einem Interview gebeten wurde – und ihr kleines Kind mit ins Adlon nehmen musste – und von der wir in einem weiteren Kapitel erfahren, dass ihr Stern bereits im Sinken begriffen ist. Sogar ihr neuester Lover verleugnete sie. Leylas Mann kann sich dagegen keine Gesichter merken. Selbst als Eva mit ihrem Mann herein kommt, erkennt er seine einstige Geliebte nicht. Und man darf annehmen, dass es die Leyla der ersten Story ist, die ihrerseits Eva mit deren Mann betrogen hat.

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