Rezension: Orosz, Susanne – „Wächter des Schlafs“

Jugendroman / Thriller
Verlag Klopp, 2011
ISBN: 978-3-7817-1503-5
Bezug: Buchhandel Preis: 9,95 Euro

Endlich Ferien! Ein glühendheißer Augusttag. Die 17jährige Leoni hatte sich so auf New York mit ihrer Mutter Betty gefreut, auch, um ihren Liebeskummer um Max zu vergessen. Doch stattdessen fährt sie von Hamburg nach Wien zu Tante Diane. Mutter hatte sich einen Bandscheibenvorfall zugezogen, den sie erst gründlich auskurieren muss. Im Zug lernt sie ein älteres Ehepaar kennen. Die fürsorgliche Frau warnt sie gleich vor einem Mädchenmörder aus Wien. Die Zeitungen sind voll davon: Ein blutjunges Ding, mit vielen Messerstichen getötet. Neben der Leiche lag ein Gedicht. Sie soll sich nur vorsehen. Doch Leoni hat keine Angst. Sie lebt in St. Pauli. Ihre Mutter hatte ihr schon früh Selbstbewusstsein, Vorsicht und einen „inneren Alarmknopf“ beigebracht. Als Leoni die Zeitung in die Hand nimmt, ist sie erschüttert: Die Tote gleicht ihr aufs Haar. Kurz vor Wien versucht ein junger Mann sich ihr aufzudrängen. Irgendwie wirkt der schlaksige Typ mit der Pilzfrisur süß, doch Leoni hat erst einmal genug von Beziehungskisten. Auf keinen Fall will sie die Einladung des Studenten Janek zu einem Frühstück in Bahnhofsnähe annehmen. Sie wartet auf ihre Tante Diane. Doch die Journalistin hat einen Termin und ihre Freundin Rita geschickt.
Schon während der Fahrt erfährt Leoni, dass sich die beiden getrennt haben. Rita will ihr Leben künftig allein verbringen, nicht mit einer karrieresüchtigen Diane. Leoni ist geschockt. An diese Partnerschaft hatte sie immer geglaubt, die hatte ihr als Vorbild immer Halt gegeben. Ferien ohne die beiden zusammen mag sie sich gar nicht vorstellen, trotzdem muss sie die Tage in Wien allein gestalten; denn Diane hat wenig Zeit. Leoni will das Beste aus ihrem Aufenthalt machen, sieht sich in der Stadt um und fotografiert. Ihr ist so langweilig, dass sie sogar versucht die Handynummer anzurufen, die Janek ihr zugesteckt hatte. Kein Anschluss. Sie geht herum, fotografiert, glaubt auf einmal Schritte hinter sich zu hören. Leoni fühlt sich verunsichert, denn sie sieht niemanden. Als sie an einem Kiosk vorbeikommt, sieht sie die Schlagzeile: Der Dichter Malevic steht unter Verdacht, das Mädchen ermordet zu haben. Er hat bereits eine Aussage gemacht. Außerdem lag neben der Leiche eines seiner Gedichte. Tante Diane weiß mehr. Sie berichtet über den Fall. So objektiv wie möglich und vermutet sogar, dass Malevic, Autor abstruser und gruseliger Bücher, die Tat auf sich genommen hat, um sich wieder ins Gedächtnis seiner Fan-Gemeinde zu bringen. Dann meldet sich auch Janek bei ihr – sie verabreden sich, wollen schwimmen gehen, Janek will ihr geheimnisvolle Orte in Wien zeigen. Irgendwie ist er sehr nett, aber auch seltsam, von gruseligen Orten inspiriert.
Der junge Mann lebt in einer WG mit dem Medizinstudenten Noah, der auch sein bester Freund ist. Den lernt Leoni kennen, als sie einer Einladung zum Essen folgt. Auch Janek ist Medizinstudent, seinen Eltern zuliebe. Er wäre lieber Künstler, Maler oder Fotograf. Am Morgen nach der Einladung scheint Janek übernächtigt und benimmt sich aggressiv Das Mädchen kann sich sein Verhalten nicht erklären, bis sie erfährt, dass Janek nachts kaum schlafen kann und deshalb so unausgeglichen ist. Verblüfft hört sie, dass er die abgedrehten Geschichten des Schriftstellers Malevic liebt. Malevic hatte inzwischen seine Aussage widerrufen – und da seine Angaben widersprüchlich sind, wird er entlassen. Ein zweiter Mord geschieht. Wieder wird ein junges Mädchen mit erstochen. Auch sie sieht Leoni sehr ähnlich.
Diesmal ist es Janek, der behauptet, er habe das Mädchen ermordet. Er beschreibt die Tat, führt die Polizei zu seinem blutigen Hemd. Gleichzeitig beteuert er immer wieder: „Ich war das nicht!“ Leoni kann das alles nicht fassen. Es macht ihr Angst und trotzdem glaubt sie an Janeks Unschuld. Nach einem Gespräch mit Malevic erfährt sie, dass auch er unter massiven Schlafstörungen leidet, auch schon das Schlaflabor einer renommierten Schlaftherapeutin aufgesucht hat, genau so wie Janek. Leoni vermutet, dass der Schlüssel zu den beiden Selbstbezichtigungen das Schlaflabor ist und meldet sich als Probandin an.
Wie Leoni sich aus großer Gefahr befreien kann und ein irrer Mörder, der an einem Kindheitstrauma leidet, verhaftet wird, liest sich aufregend bis zum Schluss. Orosz Ton ist der Welt der Jugendlichen angepasst, die Themen klar umrissen und packend erzählt. Sie spart brisante Themen wie Scheidung der Eltern, lesbische Liebe, obsessive Mädchenmörder nicht aus. Sehr lebensnah schildert sie das erste Kennenlernen und Abtasten der jungen Leute, die Missverständnisse, das Sich-nicht-vereinnamen-lassen-wollen. Die Autorin, die in Wien aufgewachsen ist und jetzt in Hamburg lebt, kennt die Städte und ihre besonderen Orte.
Ein bisschen schade jedoch, dass auch hier, wie in fast allen Kinder- und Jugendbüchern von Susanne Orosz die Helden der Geschichte bei einem allein erziehenden Elternteil leben. Das kommt zwar heutzutage oft vor, ist jedoch nicht die Norm. Und hier, in diesem überaus spannenden Jugendroman hat sie ein bisschen viel mit hineingepackt, selbst wenn wir fast täglich mit den verschiedenen Fakten konfrontiert werden: Trennung der Eltern, was die Kinder verunsichert, mag auch der Elternteil das Leben noch so fabelhaft meistern – oder überaus ehrgeizige Eltern, die ihren Kindern das Leben überstülpen wollen, was sie selbst gern geführt hätten – gleichgeschlechtliche Partnerschaft – Mädchenmörder aus Rache – und dann noch eine wahrsagende Zigeunerin. Das alles baut Orosz durchaus schlüssig und spannend zusammen, aber wie gesagt, vielleicht ein bisschen viel Thematik auf einmal.

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