Rezension: Raile, Stefan – „Kampf um Tenochtitlán“

Zwei historische Romane
Verlag docupoint, 2007; ISBN: 978-3-939665-23-6 (beide Romane waren schon 1995 einzeln erschienen)
Bezug: Buchhandel Preis: Paperback 18,50 Euro
Ab 13 Jahren

In beiden spannend erzählten Romanen erfahren wir viel von aztekischer Geschichte, Glaube und Kultur, von ihren Menschenopfern, aber auch von ihrer Gastfreundschaft. In kurzen Kapiteln führt uns der Autor durch Leben und Überleben sowohl der Einheimischen als auch der Eroberer. Er erzählt von ihrer tollkühnen Entschlossenheit, den Krieg zu gewinnen, allen voran Hernán Cortés, der das Land der spanischen Krone unterwerfen will. Raile lässt uns nicht nur den Kampf um Tenochtitlán mit seinen 300 000 Einwohnern und ihren Untergang miterleben, sondern auch die inneren Kämpfe der jugendlichen Helden und Kämpfer. Die dramatischen Erzählungen umschließen die Zeit von 1519 – 1521. Dem Buch ist ein Glossar angefügt, doch leider keine Zeittafel.

1.Ich war bei Cortés Capitán
Im Juli 1533 schreibt José, einstiger Kämpfer für den Eroberer Cortés, seine Lebensgeschichte auf. Nach dem Tod der Eltern verlässt er als 17jährige Student Sevilla, um in Kuba sein Glück zu machen. Unterwegs schließt sich ihm der junge Pablo an. In Kuba von Cortés’ Leuten angeheuert, stechen sie im Februar 1519 mit einer Flotte in See: Ziel ist „Mexiko“. Während José den harten Cortés bewundert, spürt Pablo dessen Grausamkeit und Gier nach Gold.
Montezuma, der damalige König von Tenochtitlán, will die Eindringlinge zunächst am Vordringen ins Landesinnere mit Gold und Geschenken abbringen. Jeder wundert sich, warum er so zögerlich vorgeht, letztendlich die Fremden demütig begrüßt, anstatt sie mit einer großen Streitmacht zu besiegen, bis er von seiner Deutung der Landung erzählt: Es gibt eine Weissagung, dass einst der hellhäutige Gott Quetzalcoatl, vertrieben über den Ozean, wieder zurückkommen würde. Leider begreift der Herrscher zu spät, dass Cortés kein Gott, sondern ein gieriger, machthungriger Eroberer ist.
Wichtig für das Unternehmen der Eroberer ist auch die kluge Malinche, Tochter eines Häuptlings. Sie wird jedoch von ihrer Familie verkauft und schließlich Cortés geschenkt. In ihrer Verbitterung handelt sie immer zu Gunsten der Eindringlinge. – José seinerseits bemüht sich lange ohne Erfolg um die Gunst Cortés. Erst als er ihm das Leben rettet, wird er zum Capitán ernannt.
In Tenochtitlán tritt ihnen dann Montezuma freundlich entgegen, weist den Fremden sogar einen eigenen Palast zu, jedoch die Spanier führen sich als Herren auf und versuchen die Heiden zu missionieren. Bekämpft werden sie von den Priestern der Azteken. Der Herrscher findet in den vom ihm unterjochten Nachbarreichen keine Hilfe; denn diese wollen sich mit Cortés’ Hilfe von den Tributen befreien. Mit List gelingt es diesem schließlich, den König fest zu setzen und ihn seinem Volk zu entfremden. José wird allmählich nachdenklich, beobachtet das Vorgehen des Eroberers nicht mehr vorbehaltlos. Oft unterhält er sich mit Montezuma, erlernt sogar seine Sprache. Auch Apacueye trifft er wieder, die Tochter eines Goldschmieds, die er beim ersten Einzug in die Stadt gesehen, und die großen Eindruck auf ihn gemacht hatte. – Als der Eroberer einen Tempel in Besitz nehmen will, empören sich Priester und Volk dermaßen, dass es ihm geboten scheint, vorläufig die Stadt zu verlassen. Gleichzeitig schickt Velázquez eine starke Streitmacht gegen ihn aus, um ihn für seine Eigenmächtigkeiten zu bestrafen. Cortés wehrt sich erfolgreich. Die Azteken nutzen indessen die Uneinigkeit der Spanier und planen einen Aufstand. In Eilmärschen kehrt Cortés nach Tenochtitlán zurück, wo unter der Bevölkerung ein schreckliches Blutbad angerichtet worden war. Nun beginnt der Aufstand der Azteken. Trotz heftiger Kämpfe gelingt es Cortés, die Häuser vor dem Palast niederzubrennen. Dabei sieht José Apacueye um ihr Leben rennen. Er kann sie retten, doch Apacueye klagt ihn und die Spanier an, nur Tod und Elend zu verbreiten. José ist sehr betroffen; er hilft ihr bei der Flucht. Noch einmal gewinnen die Azteken die Oberhand, Montezuma wird jedoch von seinem Volk mit einem Steinhagel angegriffen und verletzt weggetragen. Nach einigen Tagen stirbt er. Als Cortés den großen Teocalli niederreißen will, gerät er im Kampf in Bedrängnis. José kommt ihm zu Hilfe. Dabei bemerkt er nicht, dass Pablo, der ihm schon mehrmals das Leben gerettet hatte, getötet wird. Jetzt wendet sich José innerlich endgültig von Cortés ab. Es beginnt eine verzweifelte Flucht der Spanier aus der Hauptstadt. Wieder ist José hin und her gerissen zwischen Bewunderung und Abscheu, als Cortés seine Mannschaft auf der Flucht mit einer kurzen Rede zusammen halten kann. Zum Glück für die Spanier löst die eingeschleppte Pockenseuche eine Epidemie mit vielen Toten unter den Azteken aus.
Cortés beginnt nun in Tlaxcala bei seinen Verbündeten eine neue Armee aufzustellen, lässt kleinere Schiffe, Brigantinen, bauen, um Tenochtitlán auch vom Wasser her angreifen zu können. Bereits im Dezember 1520 werden die Dörfer rund um den See niedergebrannt. Erschreckte Azteken laufen zu den Spaniern über, da sie Macht und Schutz ihres Herrschers schwinden sehen. Im Mai 1521 beginnt dann die eigentliche Belagerung der Stadt. Der neue Herrscher Cuauhtemoc versucht bis zum Schluss, seine Stadt und seinen Palast zu verteidigen. José wird gefangen genommen, aber von Apacueye gerettet. Sie fliehen zusammen „an einen Ort, wo sie in Frieden leben können“. In den Bergen finden sie schließlich Unterschlupf und errichten mit anderen aztekischen Familien ein Dorf, in dem er jetzt mit seiner Familie lebt. Als er vom Fall Tenochtitláns erfährt, trauert er mit den Azteken.

2. Xopil, Kämpfer für den König
Xopils Vater wird beim Überfall während des Tempelfestes getötet. Darauf beschließt der Junge, seinen Vater zu rächen und gegen die fremden Eindringlinge zu kämpfen. Auf dem Weg in die Hauptstadt wird er gefangen und soll von gierigen Steuereinnehmern als Sklave verkauft werden. Ein Mädchen kann ihn retten, er flieht und hat das Glück vor den jungen König Cuauhtemoc gebracht zu werden. Ihm erzählt Xopil, was ihn bewegt. Der Herrscher erkennt schnell, dass in dem Jungen Kraft, Mut und Ausdauer stecken und er zu größeren Aufgaben gebraucht werden kann. Doch zuvor muss er eine harte Schule durchlaufen und wird in einer Militärschule für Adelige gedrillt. Sein Freund ist Atlacol, Sohn eines reichen Kaufmanns. Sie sind die beiden einzigen Nichtadeligen, weshalb ihnen mit Missgunst begegnet wird. Atlacol, ein schmächtiger Junge, dem das harte Leben sehr zusetzt, hat einen klugen Kopf und lernt leicht, auch die Sprache des Feindes. So helfen sich beide gegenseitig. Atlacol ist sehr pessimistisch, was die Aussicht auf den bevorstehenden Kampf gegen die Eindringlinge angeht, doch Xopil ist sicher, dass sie mit Hilfe der Götter siegen werden.
Bei einer morgendlichen Schwimmübung im eiskalten See hält Atlacol nicht mehr durch und ertrinkt. Xopil kann ihn nicht retten und trauert sehr um den Freund. Tage später ist es dann soweit: Der König braucht ihn. Der Berater des Königs, Calpilcatl, der ihn einst zum König gebracht hatte, zeigt ihm die Stadt. Xopil soll sich alles genau einprägen. Die Fremden sind schon seit einiger Zeit in Texcoco, doch niemand weiß bisher, was sie vorhaben. Der König setzt auf den jungen Mann und berichtet ihm, dass Cortés mit Gold und Versprechungen immer mehr Verbündete gewinne. Xopil soll, als Verbündeter verkleidet, zu Malinche gelangen, sie umstimmen und für die Sache der bedrängten Azteken gewinnen.
Auf dem Markt der Stadt lernt Xopil das Mädchen Chimalman kennen, Malinches’ Dienerin und Vertraute. Es gelingt ihm, sie ins Gespräch zu ziehen und zu bitten, ihn zu ihrer Herrin zu bringen, da er ihr etwas Wichtiges mitzuteilen habe. Insgeheim ärgert er sich über Chimalman, die die Eindringlinge lobt und sicher ist, dass sie siegen würden, weil sie die besseren Krieger seien. Sie weiß und erzählt Xopil, dass Cortés auf Hilfstruppen warte, dass sie Schiffe in Tlaxcala gebaut und diese über die Berge haben bringen können, um sie in Texcoco wieder zu Wasser zu lassen. Das Flussbett würde schon vertieft und verbreitert, damit die Schiffe bis an Tenochtitlán heran kommen könnten. Xopil kann zwar mit Malinche sprechen, dann aber nur mit Mühe vor ihren Kriegern fliehen. Schwer enttäuscht kommt er zum König zurück und kann wenigstens berichten, was er gesehen und gehört hat. Seine nächste Aufgabe ist es, mit Calpilcatl zu den verschiedenen Stämmen zu gehen um aus ihnen Verbündeten zu machen. Dabei wird Xopil immer zuversichtlicher, doch Calpilcatl bleibt pessimistisch. Die Kämpfe zwischen König und Spaniern um die Gunst der Bevölkerung rund um den See, wogen hin und her. Der Herrscher will Xopil noch einmal aussenden, um die Lage zu sondieren. In tlaxcaltekischer Kleidung kann er sich bis zu Cortés Palast vorarbeiten. Dort trifft er Chimalman wieder, die ihm anbietet, ihn zu Cortés zu bringen. Er solle sagen, er wolle auf seine Seite übertreten; Cortés sei über jeden Kämpfer froh. Während er wartet, hört er, dass der Eroberer vorhat, den Gegner am nächsten Morgen mit einem Überraschungsangriff zu schlagen. Als Xopil sich entfernen will, tritt Cortés ein, wird misstrauisch und lässt Xopil vorsorglich einsperren. Der erinnert sich nun an die düstern Prophezeiungen seines Freundes Atlacol. Chimalman gelingt es, ihn zu retten. Zusammen fliehen sie, kommen auch mit seinem Kanu weg, werden aber entdeckt und beschossen. Das Mädchen kann sich nicht mehr rechtzeitig wegducken und stirbt; Xopil muss trotz seines Entsetzens und seiner Trauer weiter, um dem König Bericht zu erstatten. Cuauhtemoc kann dem Angriff zuvor kommen, und für eine Weile sieht es gut aus für die Azteken, die Überraschung ist ihnen gelungen, der Herrscher und Xopil stürzen sich in die Kämpfe. Xopil kann sogar den verletzten Cortés gefangen nehmen, doch die Gegner können ihren Anführer befreien. Wieder einmal wendet sich das Blatt: Cortés schließt Tenochtitlán völlig ein. Doch noch immer will sich der König nicht ergeben, zumal ihn die Priester bestärken. So unternimmt er Ausbruchversuche mit großen Verlusten; Xopil ist immer bei ihm. Am 13 August 1521 beschließt Cuauhtemoc mit seiner Familie zu fliehen, mit aufgepflanzter Standarte, nicht heimlich. Die Brigantinen machen Jagd auf ihn. Xopil gelingt es zwar, zwei Angreifer abzuwehren, doch er wird durch einen Schuss getötet. So muss er wenigstens nicht mit ansehen, wie Cuauhtemoc gefangen genommen wird.
© Gudrun Brzoska, November 2009

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