Rezension: Howard, P. (alias Jenő Reich, später Jenő Rejtő) – „Ein Seemann von Welt“

Roman
Aus dem Ungarischen von Anna Lindt
Verlag: Elfenbein, 2004 ISBN: 3-932245-64-4
Originaltitel: Piszkos Fred, a kapitány, 1940
Bezug: Buchhandel Preis: Euro 22.00

Bei einer Schlägerei in einer Hafenkneipe haut Jimmy Reeperb-ahn fast eine ganze Schiffsmannschaft zusammen, steckt dem Quartiermeister ein Messer in den Rücken, dem dabei aber wei-ter nichts Schlimmes passiert. Der Quartiermeister überredet ihn,
für gutes Geld gleichzeitig Kellner – über Tag – und Heizer – über Nacht – auf einem Luxusliner „Honolulu Star“ auf dem Weg nach Singapur anzuheuern. Es sei ja nur für ein paar Wochen, danach könnte er sich wieder ausschlafen. Jimmy wird natür-lich immer müder, und als das schon anfängt aufzufallen, gibt er den Gästen ein wenig Opium in die Speisen. Der Kapitän und seine Offiziere fürchten natürlich, dass die Schlafkrankheit ausgebrochen sei, eine Epidemie, die auf den Schiffen sehr gefürchtet ist. Zufällig entdeckt er Fred Unrat als blinden Passagier im Laderaum, der ihm mit seinem scharfen Verstand mal von Nutzen ist, der ihn andererseits auch für seine Zwecke einspannt. An Bord langweilt sich auch der junge Mr. Irving, ein Prinz, der inkognito reist, weil er ohne seinen Vormund, Mr. Gould keinen Schritt alleine tun kann. Ihm gefällt aber der junge Kellner Jimmy – und als fast al-le krank daniederliegen, sucht er immer wieder ein Gespräch mit ihm.
Der Kapitän des Schiffes fordert Hilfe an, um der Krankheit Herr zu werden. Kurz bevor ein anderes Schiff anlegen kann, geschieht jedoch ein Mord. Mr. Gould wird mit einer Hutnadel erstochen. Das bemerkt aber nur Jimmy. Um die anderen Pas-sagiere nicht zu beunruhigen, soll er ganz schnell auf See bestattet werden. Ein Gespenst in Gestalt eines doppelten Kapitän scheint umzugehen und beunruhigt be-sonders den Quartiermeister, der um seinen Job bangt, wenn alles auffliegt, als auch Jimmy.
Das Hilfsschiff legt an, der Kapitän übernimmt das Oberkommando, – inzwischen sind die meisten Passagiere schon wieder „genesen“ – und kann bei der Parangan-Insel vor Anker gehen. Kurz davor beschwört Mr. Irving den Kellner José – Jimmy Reeperbahn, mit ihm einen Rollentausch zu machen. Er weiht ihn ein, dass er der nächste König der Glückseligkeitsinsel sein würde, dass er aber unbedingt sich für 2 Tage unerkannt im Hafen umsehen und die Menschheit „studieren“ möchte. Jimmy gibt ihm viele gute Ratschläge, beschreibt ihm die Gestalten, an die er sich halten soll – und diejenigen, von denen er sich besser fernhält. Im Gegenzug instruiert der Prinz den jungen Mann, wie er sich verhalten soll, macht ihn mit einigen geschicht-lichen Tatsachen in seiner Familie bekannt. Es folgt natürlich eine herrliche Ver-wechslungskommödie: Der Prinz gerät natürlich sofort den falschen Leuten in die Hände – und will sehr schnell kein Abenteurer mehr sein, sondern in sein richtiges Leben zurückkehren. Doch er steckt schon so tief in der neuen Rolle, dass er sie wohl oder übel weiterspielen muss. Besonders schlimm, dass ihn die Tochter eines Widersachers, der auch über die Insel herrschen will, heiraten möchte, da sie wie-derum glaubt, er sei der Desperado, der sich mit den Einheimischen schon einmal zusammengetan hatte, um den Thron zu rauben.
Jimmy im Schloss geht es da etwas besser; er kann sich fast alles erlauben. Die Be-dinsteten und Minister haben den jungen Prinz entweder noch nie, oder schon lan-ge nicht mehr gesehen. Nur die Mutter und deren Bruder stutzen bei seinem An-blick. Jimmy weigert sich aber, Gesetze zu unterschreiben, die dem abwesenden Prinz schaden könnten. Vor allem, als die Königin ihn heimlich aufsucht, ihm zu-gibt, dass sie den Schwindel natürlich gleich bemerkt hat, ebenso wie ihr Bruder. Der sei scharf auf den Thron – und Jimmy müsse sehr aufpassen. Der Bruder ver-sucht ihn natürlich gehörig unter Druck zu setzen.
Damit die Geschichte schön parallel und glaubhaft erzählt werden kann, lässt der Autor Jimmy Tagebuch führen über seine Erlebnisse. Natürlich mit allen Recht-schreib- und Verständnisfehlern. Die Übersetzung der Wortspiele und Verballhor-nungen ist köstlich – und sicher kein leichtes Unterfangen. Auch der Leser muss auf der Hut sein, dass ihm nichts entgeht, denn der wissbegierige, von sich eingenom-mene aber nur wenig gebildete Jimmy kann sich keine Redewendungen merken. Sympathisch, wie er immer wieder seinem Tagebuch zugeben muss, dass er doch ein weiches Herz hat, ja fast zur Sentimentalität neigt, wenn er sich in Gegenwart der Königin so wohl fühlt, als sei sie seine wirkliche Mutter.
Weil er auf dem Schiff Fred Unrat so geärgert hat, geht die Rettung des jungen Kö-nigs und des Thrones fast schief. Aber Fred mit seinem scharfen Verstand bringt zum Schluss alles ins Lot. Und eine Liebesheirat gibt’s natürlich auch.
Mehr wird nicht verraten.
Alles wird natürlich auch in diesem Roman sehr ironisch erzählt, mit süffisantem Schmunzeln über die Whiskysäufer, die selbsternannten Herren über Leben und Tod – und wie sich die Bilder gleichen, bei den hohen Herren geht es nicht viel anders zu, nur etwas leiser und heimlicher.
Sehr gekonnt dreht Howard seine Pirouetten mit allen Figuren und Ereignissen. Und wenn die Überraschungen noch so unwahrscheinlich daherkommen, so löst er doch alles wieder logisch auf.

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