Rezension: Hász, Róbert – „Der Herrscher der Seelen“

aus dem Ungarischen von Andrea Ikker
Klett-Cotta, 2008
ISBN: 978-3-608-93768-8
Originaltitel: A künde
Bezug: Buchhandel

10. Jahrhundert: Die Schlacht auf dem Lechfeld ist vorbei. Papst Johannes XII. unterbreitet den heidnischen pannonischen Stämmen ein Friedens- und Missionsangebot. Mit der verbalen Botschaft wird Mönch Stephanus von Pannonien aus dem Benediktinerkloster St. Gallen betraut.
Der Roman beginnt im Jahr 973, als Alberich, der junge Schüler des verschollenen – und den Märtyrertod gestorbenen Stephanus – eine Legende zu dessen Heiligsprechung verfassen soll. Doch schon bald erkennt er, dass sich alles ganz anders zugetragen hat, dass Stephanus ganz in der Nähe des Klosters als Einsiedler lebt.
Die Handlung des spannenden historischen Romans ist in drei Erzählstränge eingeflochten: Die offizielle Legende des Stephanus, die Alberich verfasst, die Erzählung von Stephanus selbst und die „Mitschrift“ Alberichs, der aber ganz nach Gutdünken hier und da etwas weg lässt oder hinzu dichtet – und außerdem seine eigenen Überlegungen mit einfließen lässt:
963 schickt Abt Virgil von Aquilea seinen Ordensbruder und langjährigen Scriptor mit diesem Friedensangebot auf die Reise. Er gibt ihm, den er nie mochte und der ihm immer im Weg war, das Medaillon eines geheimnisvollen Vogels, dem Turul, mit. Stephanus wird bald überfallen , aus ihm brechen Worte einer Sprache hervor, derer er sich vorher nie bewusst gewesen war. Er war als kleines Kind und Waise ins Kloster gekommen. Seine Herkunft kannte er nicht. Anhand des Turul-Medaillons, das in der Mythologie eine große Rolle spielt, der ungarischen Worte – und dass er erstaunlich gut reiten kann, vermuten die Tyrcen (oder Ungarn), dass er der Sohn des einst von den Bayern heimtückisch ermordeten geistlichen Führers Kende Kurszán sei. Gyula Árpád, der weltliche Führer entkommt. Von dieser Zeit an (seit 904) hat das Volk der Ungarn nur noch einen Führer.
Stephanus weiß nicht, was er davon halten soll: Mal lehnt er diese Vorstellung als Zumutung ab, ist er doch ein Christ und Benediktinermönch, mal gefällt er sich auch in dieser Doppelrolle, „sein“ Volk zu führen und zu einigen. Er erfährt, dass die Verschwörung von Árpád angezettelt worden war, da dieser allein herrschen wollte. Die Bajuwaren hatten zur Sicherung des Waffenstillstandes die Kinder von Gyula Árpád und von Kende Kurszán als Geiseln verlangt. Doch auch das 2. Kind, Tas ist ein Sohn Kurszáns. Die Ungarn glaubten, die Knaben, Csaba und Tas seien auch getötet worden, doch die Bajuwaren verschleppen beide in getrennte Klöster.
Schließlich soll sich Stephanus–Csaba mit dem jungen Fürsten Géza treffen. Dieser hätte ihn gern als Berater. Doch Verrat und Intrigen ziehen sich über ihm zusammen. Um den Stammesführern nicht im Wege zu sein, beschließen diese seine Ermordung. Stephanus muss fliehen. Er sehnt sich nur noch nach dem Frieden seines Klosters. (Inzwischen war ein neuer Papst geweiht worden; seine Mission sowieso überflüssig). Doch Abt Virgil will den unbequemen Mitbruder nicht mehr im Kloster haben und verbannt ihn in den Wald.
Alberich entdeckt die Ungereimtheiten zwischen Virgil und Stephanus, doch noch bevor er alles öffentlich machen kann, sterben beide.
Hász schreibt mitreißend und voll Sachkenntnis. Sagen, Legenden und Historie verflechten sich zu einem Epos über die Ungarn zur Zeit des Umbruchs. Er schildert spannend das Hin- und Her der Völker in West und Ost, das Ringen um die Ungarn von Byzanz und Rom aus, um Einfluss und Macht in der damals bekannten Welt.
Am Ende des Buches ist zum besseren Überblick eine Zeittafel angefügt.

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