Rezension: Spiró, György – „Der Verruf“

Roman
Aus dem Ungarischen von Ernő Zeltner
Verlag Nischen Verlag, 2012
ISBN: 978-3-9503341-1-7
Originaltitel: Tavaszi tárlat, 2010
Bezug: Buchhandel, Preis: 22,80 Euro

Spiró, der großartige Erzähler, greift mit seinem Roman noch einmal die ganze Tragödie, aber auch die ganze Farce im Gefolge des ungarischen Volksaufstandes von 1956 auf. Er zeigt in Gestalt des etwas naiven, überzeugten jüdischen Kommunisten, wie in einer Diktatur jemand fertig gemacht wird, wie eine Diktatur durch Terror die Masse in Furcht hält, wie fast eine ganze Gesellschaft solidarisch wird in ihrer Angst und gemeinsam Front macht gegen ein vom Regime willkürlich zum Täter ausgewähltes Opfer. Er zeigt auch, wie das Opfer, wenn es noch einmal davon kommt, ganz schnell das ihm zugefügte Unrecht vergessen will, um in der Masse, die sorgenfrei leben will, aufzugehen.
Gyula Fátray, „Unser Held“, wie ihn der Autor einführt, ist 46 Jahre alt, Maschinenbauingenieur und in der Planungsabteilung eines Betriebes beschäftigt.
Die Judenpogrome konnte er, versteckt mit seiner Frau, überleben. Nach dem Krieg hatten sie das Land nicht verlassen, sondern an einem klassenlosen Regime mitarbeiten wollen. Sie haben zusammen einen Sohn, den 11jährigen nicht sehr intelligenten Matyi, auf dem jedoch die bürgerlichen Hoffnungen der Eltern ruhen.
Nach dem Krieg ließ Unser Held seinen Nachnamen, Klein, magyarisieren – eigentlich sollte er Tátrai heißen, doch mehrere Fehler machten daraus „Fátray“, mit einem Y am Ende, was evtl. auf adelige Herkunft schließen lässt.
Fátray hat eigene fortschrittliche Ansichten über den wirtschaftlichen und industriellen Aufbau des Landes, doch seine Argumente werden nicht gehört. Seine Frau Kati, überzeugte Kommunistin und Kämpfernatur, findet ihn sowieso zu lasch. Sie will Partei und System gut finden, obwohl sie im Herzen eine Kleinbürgerin ist, gern in einer anständigen Wohnung mit schönen Möbeln und gutem Geschirr leben würde – und nicht in einer Einzimmerwohnung mit Diele. Sie hat eine Stelle als Protokollschreiberin bei den vier Jurys, welche Bilder für die große Frühjahrsausstellung 1957 heraussuchen, wirkliche Kenntnisse von Kunst hat sie nicht.
Das Familienleben gestaltet sich nicht sehr harmonisch; jeder geht seinem Beruf nach, die Mutter hat ehrgeizige Pläne für den Sohn, der Vater kümmert sich nicht besonders um ihn. Eine Durchschnittsfamilie eben, in einer Großstadt mit sehr beengtem Wohnraum.
Gyula spielt gern und gut Schach, nimmt jeden zweiten Sonntag in der Meisterschaftsrunde der Städtischen Betriebe teil. Er hat auch ein paar gute Bekannte, einen Freund und scheint im Betrieb gern gesehen zu sein.
Am 17. Oktober 1956 muss sich Unser Held einer Hämorrhoiden-Operation unterziehen. Der Chefarzt, ein Cousin seiner Frau, operiert ihn. Gerade als er entlassen werden soll, bricht der Aufstand los. In den Straßen wird gekämpft – er kann unmöglich das Krankenhaus verlassen. Weil Gyula mithilft die Schwerkranken in den Keller zu schaffen, übernimmt er sich, bekommt eine Lungenentzündung und wird erst am 8. November entlassen. Schon während der Fahrt fällt ihm das Schweigen der Sanitäter auf, sie wollen nichts erzählen, haben offensichtlich Angst. – Er hat also Glück gehabt, diese Zeit im Krankenhaus verbracht und nichts getan zu haben. Zwei weitere Wochen liegt er noch als Rekonvaleszent zu Hause, bis er wieder zu Kräften kommt. Bei den ersten Spaziergängen zusammen mit seiner Frau sieht er die zerstörten Straßen und Gebäude – so schlimm hatte er es sich nicht vorgestellt! Kati würde sich gern ins Ausland absetzen – Gyula hat als Ingenieur ja eine gute Ausbildung – doch dieser will nicht noch einmal von vorn anfangen. Zudem scheinen sich alle im Betrieb zu freuen, als er dort wieder auftaucht. Vieles gestaltet sich genau so, wie vor der Revolution „Eigentlich ist gar nichts passiert“, denkt er manchmal.
Auch Kati geht schon wieder zur Arbeit, schwärmt von der großen Frühjahrsausstellung und den Malern, die sie alle mit Namen kennt.
Im Neuen Jahr beginnt eine Verhaftungswelle. Ein Nachbar ist betroffen – „und sicher ist es besser, sich von dieser Familie fern zu halten“. Gyula versucht sogar, Verständnis für die Lage der Regierung aufzubringen.
Ende Januar lädt ihn Parteisekretär Alréti ein, mit ihm etwas trinken zu gehen. Es wird eine Kader-Besprechung, in der Fátray viel zu viel erzählt und beweisen will, welch guter Kommunist er ist. Nach dem Gespräch fühlt er sich, als hätte er sich in Unrat gewälzt.
In den nächsten Wochen des Februar und März werden viele Menschen als Konterrevolutionäre festgenommen, manche zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Derweil läuft die Organisation für die große Frühjahrsausstellung auf Hochtouren. Kati ist glücklich, fühlt sich gebraucht und wichtig. Ihr Mann kommt ihr mehr und mehr unbedeutend und viel zu zahm vor. Erstaunlich, dass die Partei erlaubt, dass auch abstrakte Künstler (die sog. Formalisten) ihre Werke ausstellen dürfen. Kati hat sich aus dem Vorwort einige kompromittierende Sätze herausgeschrieben. Für alle Fälle – falls man solchen Leichtsinn doch noch bei der Partei anzeigen muss. Aber alles scheint gut zu laufen.
Am 4. April, dem Tag der Befreiung sitzt Unser Held bei der Feier nicht beim Präsidium. Er ist zwar gekränkt, denkt aber, dass es wohl ein Versehen der neuen Sekretärin war.
„Jetzt kommt es“, denkt der Leser, das Unheil, auf das er schon die ganze Zeit wartet – und in das unser Held so naiv und ahnungslos hineinschlittert. Akribisch hat der Autor bis hierher alle Fakten zusammen getragen, warum Gyula Fátray Glück hatte, warum man ihm nichts anhängen kann, ihm, dem rechtschaffenen Kommunisten.
Ja, und es kommt: Am Ostersamstag liest er Zeitung im Betrieb, die meisten Kollegen arbeiten nicht, haben sich frei genommen, da nun auch der Ostermontag als Feiertag eingeführt ist. Er als Jude hat keine Verwandten mehr, zu denen er aufs Land fahren könnte. Am Nachmittag soll die feierliche Eröffnung der Frühjahrsausstellung sein. Fátray grübelt darüber nach, wie unglücklich es für Ungarn läuft, dass die Sowjets Wirtschaft und Industrie für Ungarn planen. Die Säuberungswelle ergreift das ganze Land, die Arbeiterräte entfernen schon von selbst die klassenfremden und klassenfeindlichen Elemente. Zu den Klassenfremden wird auch er als Jude gezählt.
Und während er seine Gedanken schweifen lässt, kommt Oberbuchhalter Harkaly herein, legt ihm eine Wochenzeitung auf den Tisch und fragt, ob er den Artikel schon gelesen habe. Unser Held liest und sieht seinen Namen inmitten von sogenannten Verschwörern, die im Auftrag von Radio Free Europe einen Marsch auf das Pressehaus unternommen haben sollen. Er ahnt wohl schon die große Gefahr, die Unausweichlichkeit der Situation, in der er steckt, doch er will es einfach nicht wahr haben. Sicher muss es noch jemanden geben, der Fátray heißt – aber tief im Innern weiß er schon, dass er gemeint ist – Immer wieder liest er den Artikel – und immer unglaubwürdiger kommt ihm dieser vor.
Fátray versucht die Telefonnummer des Journalisten herauszubekommen, doch umsonst. Nicht nur, dass die Feiertage bevor stehen, auch danach wird er kein Glück haben – es wird keine Richtigstellung geben, sosehr er sich auch bemüht.
Kati zu Hause erzählt ihm, dass die Eröffnung der Frühjahrsausstellung alle Erwartungen übertroffen habe, dass man aber mit Kritik rechnen muss – der Artikel sei schon bestellt. Zu viele kommunistische linientreue Künstler waren nicht zum Zuge gekommen. Trotzdem, ein Riesenerfolg!
Als er ihr dann von dem Zeitungsartikel berichtet, versteht sie seine Angst nicht. Er hat sich ja nichts zu Schulden kommen lassen, lag ja im Krankenhaus. Doch
Gyula fürchtet sich zu Recht, der Terror beginnt. Da nützt auch der Versuch nichts, die Sache wieder und wieder herunter zu spielen. Der Leser, der die Schauprozesse und Verurteilungen aus der Historie kennt, weiß schon mehr als Gyula Fátray, nämlich, dass es nicht darauf ankam irgendwo beteiligt zu sein, sondern einzig und allein darauf, Angst und Furcht unter der Bevölkerung zu säen, Terror zu verbreiten, Macht zu demonstrieren. Es sollten Schauprozesse vorbereitet werden, um endlich Imre Nagy als Verräter zum Tode verurteilen zu können.
Geradezu quälend langsam lässt Spiró die Ostertage durchlaufen, in denen nichts geschieht.
Dienstags geht Unser Held wieder in seinen Betrieb. Niemand spricht mit ihm – noch realisiert er nicht wirklich, was ihm da geschieht, dass sich alle gegen ihn verschwören. Etwas Genaues sagt ihm keiner, er läuft gegen Wände des Schweigens: In der Kantine gibt es kein Essen für ihn – er kann die Angelegenheit nicht klären, – abends muss er sich einer Leibesvisitation unterziehen, im Pförtnerhäuschen, vor den Angestellten, die draußen vorbeigehen. Er wird gedemütigt und kaltgestellt. Alles kommt ihm vor wie ein böser Traum: Fátray versucht Erklärungen zu finden, eine Logik zu sehen, ein Missverständnis, eine Verwechslung, die sich am nächsten Tag aufklären würde. Zum Beweis seiner Unschuld kauft er sogar Kinokarten für den 1. Mai.
Tagelang sagt er seiner Frau nichts, geht aus dem Haus wie immer; denn inzwischen wurde ihm Hausverbot erteilt. Zu seiner „Anhörung“ versammeln sich Mitarbeiter und Vorgesetzte im Büro des Parteisekretärs. Fátray soll eine Bestätigung über seine Krankenhauszeit vorlegen. Auch das wird ihm nicht gelingen. Und dann soll er noch berichten, wie groß der Großgrundbesitz seiner Vorfahren war. – Fátray erinnert Alréti an das Kadergespräch, doch der tut so, als hätte dieses gar nicht statt gefunden. Das Gespräch dreht sich im Kreis. Gyula wird beschuldigt, gegen die Partei gehetzt und für Imre Nagy Stellung bezogen zu haben. Seine Einwände werden weg gewischt. Wie er sich auch dreht und wendet, es nützt nichts. Kollegen sagen gegen ihn aus, auch diejenigen, mit denen er befreundet ist. Sogar versuchte Republikflucht lastet ihm eine Kollegin an, – dass er immer noch nicht in die Partei eingetreten ist, wirft ihm der Parteisekretär vor – obwohl er ja gerade ihn darum gebeten hatte. Die Situation ist ausweglos.
Ihm wird nahe gelegt, die Fabrik nicht mehr zu betreten bis die Angelegenheit geklärt sei. Wie alle zum Tod Verurteilten will Unser Held noch immer nicht glauben, was ihm widerfährt. Die nächsten Tage verbringt er in Cafés, treibt sich herum bis es Zeit ist zum Heimgehen. Auch dort läuft nicht alles gut: Kati ist aufgelöst: Der große Künstler Makrisz ist angezeigt worden! Nicht mal ihn, einen überzeugten Kommunisten, verschont man! Offenbar haben jetzt alle Angst, die mit der Ausstellung befasst waren. Am folgenden Tag treffen sich die linientreuen Künstler bei Kati, betrinken sich und schimpfen auf die Abweichler, die „Formalisten“. Sie waren nämlich bei der Ausstellung nicht berücksichtigt worden. Spiró lässt sie alle antreten, die berühmten ungarischen Künstler, die „Modernen“, die „Formalisten“, die „Abstrakten“, gegen die sich Missgunst und Hass der parteitreuen Künstler richten.
Die Hausbewohner grüßen nicht mehr; auf der Straße wechseln alte Freunde die Straßenseite, lassen sich verleugnen, wollen nichts mehr mit der Familie zu tun haben. Es ist ein Spießrutenlaufen.
Endlich besucht er den befreundeten Rechtsanwalt Lajos Szász. Dieser verteidigt die fast aussichtslosen Fälle, was dem Regime einen Anschein von Rechtsstaatlichkeit verleihen soll. Er ist alt und krank, hat nichts mehr zu verlieren und seine sowjetischen Freunde können ihn immer noch schützen. Szász klärt Fátray auf: Das war ein bestellter Artikel, der auf keinen Fall richtig gestellt würde. Die Beschuldigten würden einige Tage später abgeholt, sobald die Anklageschrift fertig sei. Noch immer bäumt sich Gyula dagegen auf, doch Szász erklärt ihm in aller Deutlichkeit, dass nichts mehr zu machen sei. Die Gesamtzahl der Angeklagten müsse stimmen. Sie werden seine Beteiligung an der Verschwörung aus ihm herausprügeln, sie würden ihn fertig machen; sie seien Spezialisten. Dass er im Krankenhaus lag, interessiere niemanden. Gerade dass diese Schauprozesse so leicht zu durchschauen seien, würde das Volk in Furcht versetzen; denn jeder könne dran kommen. Imre Nagy soll aufgehängt werden, darum brauche es diese Prozesse vorher, die den Weg ebnen sollen. Szász gibt ihm den dringenden Rat über Jugoslawien das Land zu verlassen – ohne die Familie; denn hier in Ungarn würde er unweigerlich aufgehängt. Es sei denn, er habe Beziehungen ganz oben.
Auch Kati kann nicht glauben, was Lalos Szász gesagt hat. Sie drängt ihren Mann, am Montag wieder zu arbeiten, sich auf die Hinterbeine zu stellen – und im Übrigen morgen zum Schachturnier zu gehen. Es nützt nichts, dass er sich wehrt. Er soll es ihnen zeigen!, noch hat man ihm nicht verboten, mitzuspielen.
Am nächsten Morgen geht ihm in aller Deutlichkeit auf, was Szász ihm versucht hatte klar zu machen: Er ist ein zum Tode Verurteilter. Der Hass hat im Land wieder die Oberhand gewonnen – „die Macht hat derjenige, der die Waffen besitzt“. Schuldige werden gesucht und gefunden, schon seit Jahrhunderten. Immer sind die anderen Schuld, die Türken, die Deutschen, die Habsburger, die Juden, die Adeligen, die Herren, die Bauern. Vor allem muss die Macht mit Hilfe von Terror gefestigt werden. Die gleichen Schlägertypen, die für Horthy knüppelten, taten es für Rákosi, tun es jetzt für Kádár. Er hat sich Illusionen gemacht, das versteht er jetzt, auf dem Weg zum Schachturnier.
Im Saal des Schachturniers eröffnet ihm der Mannschaftsführer, 2dass er gerade nicht in Form sei“ und darum nicht spielen könne. Wieder ist Unser Held ehrlich erstaunt, es war doch ausgemacht, dass er heute auf dem ersten Brett spielen würde. Dass er, als ein zum Tode Verurteilter, nicht einmal mehr Schach mitspielen darf, trifft ihn hart. Damit hatte er nicht gerechnet.
Auf einmal spricht ihn ein Bekannter an, Géza Kalán, der auch einmal Klein geheißen hatte, wie Unser Held. Ihm erzählt er, dass man ihn zum Tode verurteilt habe – und berichtet damit die ganze Geschichte. Kalán ist empört und verspricht, jemanden darauf anzusprechen, der ihm noch einen Gefallen schulde – er würde Gyula anrufen.
Und am Montagabend ruft er an, sagt nur kurz und einfach, er solle am nächsten Morgen wieder in den Betrieb gehen. Inzwischen hat man auch Kati hinausgeworfen. Auch sie versteht die Welt nicht mehr. Allerdings wurde sie „befördert“, erhält sogar etwas mehr Gehalt. Sie muss nur noch ein Mal im Monat Bilder entgegen nehmen, die dann für viel Geld in den Westen geschafft werden. Doch sie ist untröstlich, fühlt sich aufs Abstellgleis geschoben. Dennoch:
„Ein gutes Geschäft für die Maler, für den Staat […] Den imperialistischen Bourgeois’ malen wir für ihr Geld Kitsch, und der ungarische Staat exportiert ihn, der sozialistische ungarische Staat selbst betreibt Handel damit! Und zugleich ist ihnen das ideelle Niveau der Frühjahrsausstellung nicht hoch genug, sie ist kein Spiegelbild der sozialistischen Moralvorstellung und des proletarischen Bewusstseins; öffnet bourgeoisen Ansichten Tür und Tor!“
Spiró entlarvt das ganze zynische, verlogene System, das in Ungarn keine Mehrgleisigkeit zulässt, mit den Werken der verfemten Künstler aber viel Geld verdient – und diese, obwohl im Land abgelehnt, trotzdem nicht schlecht dabei fahren.
Gyula kann als freier Mann wieder in den Betrieb gehen – und die Kollegen sind so übertrieben freundlich und korrekt, dass es einen graust. Alle tun so, als wäre nichts passiert. Fast glaubt das auch Unser Held – und macht auch schon wieder mit, wie ein Rädchen im Uhrwerk, lässt niemanden auflaufen, wehrt sich nicht. Der schlimmste Verleumder lädt ihn ein zur 1.Mai-Parade. Natürlich geht er hin. Kati war am Vorabend noch in ihr neues Tätigkeitsfeld eingeweiht worden. Einmal im Monat soll sie einen Transport nach Wien begleiten. Dafür wird sie als Spitzel angeworben. Davon wird sie ihrem Mann allerdings nichts sagen – der würde gleich wieder mit moralischen Bedenken kommen.
Staunend sieht Unser Held, wieviele Menschen zu den Sammelplätzen strömen – so viele waren es noch nie. Ja, die Menschen wollen Frieden, wollen ihre Ruhe, wollen fröhlich sein, ihre Sorgen vergessen; sie haben Angst, dass jemand sie anzeigen könnte, wenn sie nicht dabei sind. Allerdings sind nur wenige junge Leute zu sehen (viele von ihnen waren umgekommen, sehr viele ins Ausland geflohen)
Und Fátray redet sich bereits wieder ein, es könnte ja doch ein Versehen gewesen sein mit seinem Namen – und vielleicht hat es tatsächlich eine Verschwörer-Gruppe gegeben, die sich rechtzeitig davon gemacht hat. Kádár spricht und er spricht vom Verrat des Imre Nagy und vom Dreijahresplan, den es einzuhalten gälte. Fátray trifft Kollegen, die sich alle so freuen ihn zu sehen! Sie sind wieder ein Herz und eine Seele: Es ist ja nichts passiert! Am Abend gehen sie mit Matyi ins Kino – ein schöner Feiertag!
Spirós Roman ist eine überzeugende Schilderung des Realen Sozialismus. In manchmal fast versteckten Bemerkungen legt der Autor die gesellschaftliche Atmosphäre, die Angst und die Lüge, bloß.
Der Einzelne fügt sich, wie Dalos im Nachwort sagt, weil auch der Unbedeutendste und Ärmste immer noch etwas zu verlieren hat.

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